Im geltenden sogenannten dualen Finanzierungssystem unserer Krankenhauslandschaft sind die Bundesländer für die Finanzierung der Häuser selbst und der Investitionskosten zuständig. Die Betriebskostenerstattung ist Aufgabe der Krankenkassen. Beides ist in den letzten Jahren für Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin nicht auskömmlich gewesen.
Wir gehen immer davon aus, dass der Staat im Sinne von Daseinsvorsorge ähnlich wie bei der Feuerwehr oder der Polizei auch für ein funktionierendes, für alle zur Verfügung stehendes Gesundheitssystem verantwortlich ist. Das stimmt aber nur bedingt. Kliniken sind Wirtschaftsunternehmen, sie müssen/sollten ein positives Jahresergebnis haben, nur das garantiert ihre Zukunft.
Das deutsche DRG-System (DRG für Diagnosis Related Groups) ist ein seit 2004 verpflichtendes Fallpauschalen-Abrechnungssystem der Betriebskosten in Krankenhäusern. Die Leistungserbringung an Krankenhäusern wird seither vorrangig ökonomisch getriggert. Häuser mit der Möglichkeit von Fallzahlausweitungen und der Fokussierung auf technische Leistungen und homogene, erlösträchtige Patientengruppen können davon profitieren, Möglichkeiten, die z.B. Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin weniger nutzen können. Kinder- und Jugendmedizin braucht altersspezifische Zuwendung zum Patienten, d.h. Zeitaufwand bei ärztlichen und pflegerischen Tätigkeiten. Das Spektrum an Einzelerkrankungen ist größer als in Erwachsenenabteilungen, Maximalversorger versorgen überproportional hochkomplex erkrankte Patienten. Die Fixkosten und Vorhaltekosten sind vergleichsweise hoch. Die ökonomisch gesetzten Zielvorgaben führen zu ethischen Konflikten bei den Mitarbeitern, die sich primär dem Patientenwohl verpflichtet fühlen. Das System muss an die Besonderheiten der Pädiatrie durch eine separate Beplanung angepasst werden mit fallzahlunabhängigen Komponenten wie Zuschlag Kindergesundheit und Sicherstellungszuschlag, zudem Etablierung verlässlicher ambulanter/tagesstationärer Versorgungsstrukturen und adäquater Berücksichtigung von Extremkostenfällen. Damit würde der Staat seiner Daseinsvorsorge für diese Altersgruppe nachkommen. Die Gesundheitspolitikgesetzgebung in der noch laufenden Legislaturperiode hat da richtige Signale gesetzt, die Umsetzung ist aktuell allerdings fraglich.
Investitionsförderung
Das duale Finanzierungskonzept geht von einer auskömmlichen Investitionsförderung durch die Länder aus. Tatsächlich werden Investitionsvorhaben trotz des Rechtsanspruches der Krankenhäuser nur in geringem Umfang durch die Bundesländer finanziert. Lag der Anteil der Länderinvestitionen 1991 noch bei 9 % der Krankenhauskosten, sank er bis 2015 auf etwas über 3 % ab.
Das RWI, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung, schätzte 2017 den jährlichen Bedarf auf ca. 5,4 Mrd. € allein für den Erhalt der bestehenden Krankenhausbausubstanz. Im Jahr 2017 stellten die Länder nominal 2,76 Mrd. € an Fördermitteln zur Verfügung. Im Jahr 2019 lag allein der geschätzte, bestandserhaltende Investitionsbedarf bei 6,7 Mrd. €. Das ist nicht – wie oft seitens der Vertreter der Bundesländer zu hören ist – das „Wunschkonzert“ der Krankenhausleitungen. Unberücksichtigt war dabei der jährliche Investitionsbedarf für Universitätsklinika (Lehre und Forschung) sowie Ausbildungsstätten. Stellt man dem ermittelten Investitionsbedarf für 2018 (6,4 Mrd. €) die tatsächlich geleisteten Förderungen im Jahr 2019 gegenüber, ergibt sich eine Differenz von über 50 Prozent. Seit Jahrzehnten werden den Krankenhäusern nur knapp die Hälfte der benötigten Mittel zugeführt. Die Folge ist, dass Krankenhäuser DRG-Betriebserlöse für Investitionsmaßnahmen verwenden müssen.
Fallpauschalen-Finanzierung über DRGs
DRGs machen ca. 80 % der Krankenhauserlöse aus. Seit Einführung des DRG-Systems zeigten sich trotz Adaptationen immer deutlicher systemimmanente Probleme. Belohnt werden eine Mengenausweitung und gut abbildbare technische Leistungen (OPS). Damit werden Anreize zu Überversorgung (Fallzahlsteigerung um jeden Preis), Fehlversorgung (im Zweifel Entscheidung für eine erlösträchtigere Maßnahme am Patienten) oder Unterversorgung (Vernachlässigung ökonomisch unattraktiver Patientengruppen, z. B. Kinder- und Jugendliche) gesetzt.
Kliniken, die diese Möglichkeiten nutzen können, sind die Gewinner im System, andere Verlierer. Dazu gehören ländliche Krankenhäuser (keine Möglichkeit der Fallzahlsteigerung), Maximalversorger (hochkomplexe, seltene Fälle mit unzureichender Abbildung in einem Fallpauschalensystem) und gerade auch Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin. Es gibt keinen Zuschlag für weiterbildende Kliniken, die einen höheren Arzt-Personalbedarf haben als Fachkliniken ohne Weiterbildungsbereitschaft. Investition in Weiterbildung macht ökonomisch wenig Sinn.
Die betriebswirtschaftliche Folge des Kostendrucks auf Grund unzureichender Finanzierung durch fehlende Investitionsförderung und/oder unzureichender Abbildung im DRG-System ist nach Optimierung von Struktur und Prozessabläufen das Ausnutzen jeglicher Einsparmöglichkeit. Der Personalanteil am Gesamtbudget in Krankenhäusern liegt bei 60% (in Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin bei 80%), so dass Spareffekte in diesem Bereich besonders hoch liegen.
Die Zahl an Kinderklinikbetten ist in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen (Abb. 1), auch, da sie wirtschaftlich nicht gewinnbringend zu betreiben waren.
Bei gleichzeitiger Verkürzung der Verweildauer hat das wesentlich zu einer Arbeitsverdichtung geführt. Die zusätzlichen Einsparungen im Personalbereich führen zu einer nachlassenden Qualität der Versorgung der Patienten, zu Überlastung und nachlassender Motivation der Mitarbeiter mit der Folge einer inneren (Dienst nach Vorschrift) oder äußeren Emigration (Kündigung). Die Überbürokratisierung durch Dokumentationspflichten, die nicht im primären Patienteninteresse liegen, sondern erlösgetriggert sind, trägt dazu bei. Die öffentliche Wahrnehmung z. B. des Pflegeberufes ist eher negativ, weniger Menschen sind bereit, diesen Berufsweg zu wählen. Der aktuell auch von der Politik beklagte Pflegepersonalnotstand ist die Folge.